Am Abend des 2. November 2020 wurde Wien von einem entsetzlichen Terroranschlag erschüttert. Die Berichterstattung dazu schlug große Wellen in der Medienbranche, vor allen Dingen große Wellen der Kritik. In kürzester Zeit gingen hunderte Beschwerden beim Presserat ein. Dieser twitterte bereits am nächsten Morgen von einem absoluten Negativrekord.
Videos des Terroranschlages in der Kritik
Stein des Anstoßes war die Veröffentlichung von Videos, auf denen zu sehen war, wie auf Menschen geschossen wird. Da eine Veröffentlichung solcher Videos auf Webseiten von Online-Medien nicht nur grob unverantwortlich ist, sondern auch strafrechtlich fragwürdig ist, hat die Medienbehörde KommAustria laut Der Standard bereits Ermittlungen aufgenommen. Im Zentrum der Ermittlungen muss wohl die Frage stehen, ob gegen die Persönlichkeitsrechte der Opfer verstoßen wurde.
Medienbehörde KommAustria ermittelt
Der Standard zitiert den Sprecher der KommAustria und der RTR, Andreas Kunigk mit folgender Erklärung: „Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich Ihnen mitteilen, dass die Medienbehörde KommAustria der Berichterstattung zu dem Terroranschlag in einzelnen Fällen amtswegig nachgeht und eine umfassende rechtliche Prüfung unter Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien und gesetzlicher Verfahrenswege vornimmt. Dazu wird natürlich zunächst auch der Sachverhalt ermittelt. Untersucht wird, ob in der Berichterstattung konkret gegen gesetzliche Gebote beziehungsweise Verbote verstoßen wurde, die sich an audiovisuelle Mediendienste richten.“
Verstoß gegen „Ehrenkodex für die österreichische Presse“?
Auch der zuständige Senat des Presserates wird Fragen zur Berichterstattung behandeln und kann auf einen medienethischen Verstoß verweisen. Hier wird die Frage zu klären sein, ob gegen den „Ehrenkodex für die österreichische Presse“ verstoßen wurde. Wie wir bereits in einem Beitrag berichtet haben, gibt es einen Punkt des Ehrenkodex, der sich mit dem Persönlichkeitsschutz befasst. Ein Unterpunkt behandelt den Opferschutz und besagt: „5.4. Auf die Anonymitätsinteressen von Unfall- und Verbrechensopfern ist besonders zu achten. […]“.
Bühne für den Täter
Der Senat des Presserates muss aber auch die Frage beantworten, ob die Veröffentlichung der Videos dem Täter zuträglich war, indem sie ihm eine Bühne zur Selbstdarstellung geschaffen hat. Das Zeigen des Täters selbst und das Zeigen seiner Taten kann dessen Ideologie transportieren und multiplizieren und somit zu einer Mythenbildung beitragen. Ein Aufwerten des Täters kann nicht Ziel von Journalismus sein und muss daher dringend hinterfragt werden.
Stopp von Werbeschaltungen
Nachdem Rufe laut wurden, die Vergabe von Inseraten zu überdenken, haben erste Konzerne bereits reagiert. Unter anderem haben Billa und Spar angekündigt die Zusammenarbeit mit den beanstandeten Medien bis auf weiteres einzustellen.
Wir halten Sie selbstverständlich auf unserem Blog über die Ergebnisse der Ermittlungen am Laufenden!