Unter den Medienformaten, die CLIP Mediaservice beobachtet, findet sich auch das Frühstücksfernsehen. Als Mischform zwischen Nachrichten- und Unterhaltungsformat angesiedelt, umfasst es eine große Bandbreite an Themen von Tagespolitik und Kultur über Gesundheit, Sport und Freizeit bis Mode und Society. Bisher war diese Domäne im österreichischen Fernsehen fest in privater Hand. Im Frühjahr bekommen Café Puls, Servus am Morgen und Guten Morgen Wien öffentlich-rechtliche Konkurrenz.
Guten Morgen Österreich!
Am 29. März 2016 startet der ORF sein neues Frühstücks-TV-Format. Der Arbeitstitel steht bereits seit Juni fest: „Guten Morgen Österreich“. Nachdem der ORF während der letzten Jahre Zuseher am Morgen an die private Konkurrenz verloren hat, sah man Handlungsbedarf. Noch 2007 hielt der ORF mit ORF eins und ORF 2 27,8 Prozent Marktanteil zwischen 6:00 und 9:00 Uhr Früh. Im ersten Halbjahr 2015 war dieser auf 17,3 Prozent zurückgegangen. Puls 4 habe den Marktanteil im selben Zeitraum mit „Cafe Puls“ von 14,2 auf 19,8 Prozent steigern können, berichtete Die Presse. Man will ab 6 Uhr jede Woche aus einem anderen Bundesland senden. Zusammenarbeiten werden die zentrale Redaktion, die neun Landesstudios und die „ZiB“; das Ergebnis „im besten Fall eine gute und bunte Mischung“ bieten, so Projektleiter Alex Hofer, laut News.
Eine bunte Wundertüte für die Quote
2012 begingen ARD und ZDF das Jubiläum ihres öffentlich-rechtlichen Morgenfernsehens. Grund genug zu feiern, denn die Einschaltquoten des „Morgenmagazins“ hatten sich in der 20-jährigen Zeit des Bestehens fast verdoppelt und war auf einen Marktanteil von 19,2 Prozent geklettert, wie die Stuttgarter Nachrichten berichteten. Die „Moma“-Moderatoren servieren zum Frühstück leicht bekömmliche Information, eine „gute Mischung (…), eine bunte Wundertüte“, wie es Moderatorin Dunja Hayali formuliert. Johannes Kaul, WDR-Mann und einer der Gründer des „Morgenmagazins“, hingegen spart nicht mit Kritik. Man hole an manchen Tagen ohne Not eine mittelprächtige Musikgruppe ins Programm; der Zwang, mit Unterhaltungselementen Quote zu machen, sei eben mit dem Risiko verbunden, treue Zuschauer zu verprellen, so Kaul. Er aber wolle sich am Morgen nicht zu viel Buntes antun; er wolle präzise und kompakt informiert werden.
Zuviel Buntes am Morgen? Die Privaten machen es vor
Ob „Guten Morgen Österreich“ einem solchen für öffentlich-rechtliches Frühstücksfernsehen durchaus angemessenen Anspruch gerecht werden wird, will man sich doch Anteile von den Privaten zurückholen? Diese machen es mit dem kunterbunten Infotainment vor – auf den Newsblock folgt garantiert die „mittelprächtige Musikgruppe“, die neue Kollektion einer Unterwäschemarke oder Tipps eines Autofahrerclubs inklusive unverzichtbarem Studiogast. Eine Aneinanderreihung von Themen, bei denen sich der Eindruck aufdrängt, dass die Möglichkeit des Productplacement wohl häufig vorgeht, der Anspruch seriös zu Informieren allerdings frühmorgens noch schlummert. Eine etwas ermüdende Angelegenheit zu derart früher Stunde? Dagegen stemmt sich das Moderatorenteam – sichtlich hellwach, quietschvergnügt und zu ständigem Geplänkel und Halblustigkeiten aufgelegt. Es serviert Starnews, Horoskop, Basteltipps, Kochrezepte. Die obligate Frühstücksfernsehendekoration – Kaffeetassen, Kipferl, Obst – am Tisch vor der Couch bleibt Deko. Niemals hat man die ModerorInnen tatsächlich frühstücken gesehen. Dagegen ist das Outfit der Moderatoren top, wie aus dem (Frühstücks-)Ei gepellt – möchte man sagen; Stehen die tatsächlich um vier Uhr auf? – möchte man fragen und mit WDR-Mann Kaul fordern: Bitte nicht zu viel Buntes am Morgen!
Wohldosiert genossen
Andererseits – spricht hier aus mir wohl die verabreichte Überdosis. Frühstücksfernsehen wird am besten und wohl auch üblicherweise in kleinen, wohlbekömmlichen Dosen genossen, mit der Kaffeetasse in der Hand, am Sprung zur Arbeit. Vier Stunden Café Puls, zwei Stunden Servus am Morgen, drei Stunden Guten Morgen Wien – hat man die Medienbeobachter-Ration konsumiert, lässt sich schwerlich ein gutes Haar am Frühstücksfernsehen finden. Glaubt man Medienwissenschaftler Neil Postman, der Ende der 1980er-Jahre der Kritik am kommerziellen Mediensystem prominent Ausdruck verlieh, zählen Infotainmentformate dieser Machart zu jener Art von Fernsehen, die nicht für Idioten erschaffen wurde, sondern diese selbst erzeuge. Wie unterhaltsam darf Information sein? Das medienwissenschaftliche Gegenüber qualifiziert Postmans Perspektive als ebenso elitär wie realitätsfern ab. Im März startet der ORF mit dem ersten öffentlich-rechtlichen österreichischen Frühstücksfernsehen einen neuen Versuch diesen Spagat zu schaffen. Wie das Resultat beim Publikum ankommt, bleibt abzuwarten. Wir Medienbeobachter schauen jedenfalls – und zählen dennoch nicht zur Quote.