Was unter der Regierung Kurz bereits angekündigt wurde, ist nun herbe Realität: Die älteste Tageszeitung der Welt, die Wiener Zeitung, soll künftig nicht mehr täglich erscheinen. Das hat die Regierung nun im Rahmen ihrer Pläne zur Reform des Mediums, das der Republik Österreich gehört, kommuniziert. Stattdessen soll der Großteil der Berichterstattung künftig online stattfinden.
Und jetzt?
Auslöser dafür ist eine neue EU-Richtlinie zur Abschaffung der Pflichtanzeigen, die im Fall der Wiener Zeitung mit über 20 Millionen Euro den Großteil der Einnahmen ausmachen. Deshalb rückt die Türkis-Grüne Regierung mit 2023 die Onlinepräsenz in den Vordergrund. Ebenso soll der Fokus auf eine journalistische Ausbildungsstätte gelegt und der dazugehörige „Media Hub Austria“ weiter ausgebaut werden. Ein Printprodukt soll es „nach Maßgabe der finanziellen Mittel“, hingegen nur noch zehn Mal pro Jahr geben.
Gemischte Gefühle
Während sich Martin Fleischhacker, Geschäftsführer der Wiener Zeitung, optimistisch gegen über der Zukunft des Blattes zeigt, herrschen seitens der Redaktion große Bedenken. So hat sich diese in Form einer Resolution zur Situation geäußert und befürchtet allen voran starke Personaleinbußen & verweist auf eine klare Verletzung der Redaktionsstatuten auf Grund des gänzlichen Ausschlusses ihrerseits an jeglichen Verhandlungen.
Scharfe Kritik an den Plänen kommt zudem von außerhalb: So Spricht die SPÖ vom „Verlust eines Medienjuwels“, Gerald Grünberger (VÖZ) sieht einen „herben Schlag für die heimische Medienvielfalt“ und die Presse erklärt die Entscheidung gar für eine “medienpolitische Bankrotterklärung”.
Die vermeintliche Realität
Doch mit nüchternem Auge betrachtet, liegt die Entscheidung eigentlich auf der Hand: Laut Medien-ministerin Raab hat die Wiener Zeitung, die sich bis dato allen Medienmarktforschungen entzieht, nicht mehr als 8.000 LeserInnen. Es bedarf keiner ExpertInnen um die rein wirtschaftliche Untragbarkeit dieses Papiergeschäftsmodells zu erkennen. Sogar das kleinste regelmäßig geprüfte Tagblatt, die Vorarlberger Neue, hat das Vierfache Publikum. Hinzu kommt außerdem, dass der Papier Preis innerhalb des letzten Jahres um rund 200 Prozent angestiegen ist.
Mehr als blanke Zahlen
Doch sind Leserzahlen und Materialkosten in diesem Fall wirklich der akkurate Maßstab? Oder sollte der Erhalt eines drei Jahrhunderte alten Mediums vielleicht doch auf mehr als grüne Zahlen abzielen? Denn unter dem Licht der kulturellen Relevanz offenbart sich die älteste Gazette der Welt als Symbol eines jahrhundertelangen Einstehens für Meinungs- und Pressefreit, dass seinerseits bereits Weltkriegen, Wirtschaftskrisen und andere Kalamitäten getrotzt hat.
Doch symbolisches Kapital macht sich nur im philosophischen Diskurs gut und wird im Ernstfall gern zu Gunsten der Sparsamkeit über Bord geworfen. Eine Entscheidung die angesichts aktueller Diskussionen rund um die Rolle etablierter Medien fragwürdig erscheint. Denn die Bestrebungen seitens der Regierung ein verdienstvolles Blatt adäquat zu erhalten und unabhängigen, sachlichen Qualitätsjournalismus zu fördern, hätten ein Signal senden können, dass diese symbolischen Medienfreiräume von der Politik nicht nur anerkannt, sondern auch wertgeschätzt werden.