Der Journalismus hat sich in seiner langen Geschichte immer wieder vor Herausforderungen und Chancen gesehen. In unserer multimedialen Welt sind die vielen Möglichkeiten, Informationen weiterzugeben, wohl Segen und Fluch zugleich.
Eine relativ junge Form des Journalismus ist der Comic-Journalismus. Obwohl Comicstreifen schon seit Anfang des 20. Jahrhundert Zeitungen ergänzen, sind sie doch eine seltene Form im seriösen Journalismus. Das hat mehrere Gründe:
- Zum einen ist es sehr zeitaufwendig, einen vollständigen Comic oder ein Graphic Novel zu schaffen, die z. B. detailreich über die letzten Geschehnisse der Politik berichten. Immerhin müssen die ganzen Bildchen erst mal geplant, ein Storyboard erstellt und dann der fertige Comic gezeichnet werden. Somit ist Aktualität für diese Form des Journalismus eine große Schwierigkeit.
- Zum anderen sind Comics nur schwer sehr nüchtern und objektiv umzusetzen. Eine sachlich gehaltene Reportage über einen Finanzskandal oder die Hintergründe eines Krieges sind nicht gut in Bildern umzusetzen.
- Auch der schiere Informationsgehalt, den man rein schriftlich rüberbringen kann, ist schwer zu erreichen mit Bildern.
Die Kunst, sich das Relevante rauszupicken
Trotzdem gibt es immer wieder journalistische Comicbände, die den Lesern komplexe Situationen näherbringen können. Denn die Nachteile des Comic-Journalismus sprechen auch für ihn.
So muss man etwa ein höheres Augenmerk darauflegen, dass die Themen des Comics keine hohe Aktualität brauchen, um ihre Leser*innen anzusprechen, sondern eine bleibende Relevanz mit sich bringen.
Historische Ereignisse leicht gemacht
Viele der Journalist*innen, die mit Comics und Graphic Novels als Medien arbeiten, erzählen in ihren Bänden etwa von ihrer eigenen Zeit in Kriegsgebieten. Sie schildern den Leser*innen Ereignisse und Gespräche, die sie selbst miterlebt haben.
Gerade im Falle von Kriegsereignissen oder sozialen Missständen sind solche Beiträge ein starkes Instrument, um der Öffentlichkeit neue Perspektiven in Konflikten aufzuzeigen. Ein wunderbares Beispiel dafür, das momentan wieder brandaktuell ist, ist etwa Joe Saccos „Palestine“, das Anfang der 90er herauskam.
Ein Umdenken
Genauso kann man das berühmte „Maus“ von Art Spiegelmann in die Reihen des Comicjournalismus eingliedern. Nachdem „Maus“ zuerst unter der „fiction“-Kategorie auf der New York Times Bestsellerliste erschien, stellte selbst Spiegelmann selbst fest, dass ihm nicht ganz wohl mit dieser Einschätzung wäre. Immerhin ist „Maus“ ein mühsam recherchiertes und historisch akkurates Werk.
Comic-Journalismus im deutschen Raum
Auch im deutschen Raum gibt es schon einige Beispiele für Comic-Journalismus. So ist etwa David Schravens und Jan Feindts Werk „Weisse Wölfe: Eine grafische Reportage über den rechten Untergrund“ von 2015 nach wie vor relevant. Für alle Interessierten am Thema oder an Comicjournalismus gibt es „Weisse Wölfe“ dank seiner Autoren auch kostenlos zu lesen.
Weitere Beispiele sind auch „Im Land der Frühaufsteher“ von Paula Bulling und „Klassenzimmer der Diktatur“ von Bassel Alhamdo, Diala Brisly und Frederik Richter.
Ein leichter Einstieg in komplexe Themen
Ein weiterer Punkt, der für Comic-Journalismus spricht, ist, dass er die Aufmerksamkeit seiner Leserschaft etwas leichter halten kann als lange, sachliche Texte. In unserer Zeit der Kurzformate wird es für Journalist*innen nicht einfacher, eine breite Leserschaft anzusprechen. Gerade Comics eignen sich hier gut, die mancherorts gebeutelte Aufmerksamkeitsspanne wieder zu gesellschaftlich relevanteren Inhalten zu führen und dort zu halten.
Auch im schulischen Kontext eigenen sich Comics hervorragend dafür, den Schüler*innen komplexe Themen auf einfache Weise näherzubringen. Diese Form des Journalismus glänzt hier einfach durch die Einzigartigkeit jeden Werks und den Fokus auf die Menschen, deren Geschichten erzählt werden.
Der Stand des Comics im Journalismus
Natürlich muss auch erwähnt werden, dass Comic-Journalismus die schriftliche Berichterstattung nicht ersetzen soll und kann. Herkömmlicher Journalismus zeichnet sich durch sein Bemühen aus, viele komplexe Informationen sachlich aufzuarbeiten und die Öffentlichkeit aufzuklären. Und das geht je nach Möglichkeiten der Journalist*innen ungemein in die Tiefe und kann unmöglich alles bildlich festgehalten werden.
Doch als ergänzendes Medium oder als Einführung in Problematiken eignet sich Comic-Journalismus wunderbar. Vor allem wegen der Ausdrucksstärke und emotionalen, künstlerischen Komponente, die sich aus solchen Werken herausholen lassen.