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Neujahrsbaby

Hass aufs Neujahrsbaby – der unfassbare neue Neujahrsbrauch

Die Zeiten ändern sich und die Menschen mit ihr. Traditionen und Bräuche verschwinden, neue etablieren sich. Ein mit Fassungslosigkeit zu beobachtendes neues „Brauchtum“ ist die mittlerweile zur Routine gewordene teilweise unflätige Reaktion der Netzgemeinde auf die Berichterstattung über das „Neujahrsbaby“. Nach der Verunglimpfung des letztjährigen Neujahrsbaby‘s inklusive internationaler Empörung, politischer Verurteilung und den daraus mittlerweile resultierenden strafrechtlichen Konsequenzen für Poster hat sich dieser Tiefpunkt der falsch verstandenen freien Meinungsäußerung heuer wiederholt und einmal mehr die Notwendigkeit nach einer gesetzlichen Handhabe gegen Gewalt und Hass im Netz aufgezeigt.

 

Die Debatte nimmt Fahrt auf

Die Thematik ist mittlerweile unübersehbar und hinlänglich bekannt. Die Regierung hat – wir haben darüber berichtet – bei einem „Gipfel für Verantwortung im Netz und Gewaltprävention“ vergangenen November im Bundeskanzleramt Maßnahmen gegen Internet-Trolle angekündigt und plant ein „digitales Vermummungsverbot“. Dieses sollte – so der Plan – in einigen Wochen konkretisiert und der Öffentlichkeit präsentiert werden. Allerdings hat jetzt die Diskussion durch die Zurufe aus den Medien einen neuen Spin bekommen. Österreich hat angesichts der Entgleisungen rund um das Neujahrsbaby in einigen großen Aufmachern auf eine rasche Lösung in dieser Frage gepocht und sich einmal mehr für eine Klarnamenpflicht im Internet ausgesprochen. Das entspricht also auf den ersten Blick der bereits geplanten Gesetzgebung zu diesem Thema. Bei genauerem Hinsehen allerdings zeigt sich ein feiner Unterschied: Das digitale Vermummungsverbot, also die eindeutige elektronische Identitätsfeststellung eines Nutzers im Bedarfsfall, beispielsweise bei einer Strafverfolgung, ist – theoretisch – noch keine Klarnamenpflicht, also die Verpflichtung, Postings unter dem tatsächlichen Namen ohne die Anonymität eines Nicknames zu veröffentlichen. Das allerdings fordert Österreich. Und tut dies nicht ohne Grund: In dieser bereits seit einigen Jahren geführten Debatte gilt der Standard als klarer Gegner der Klarnamenpflicht. Und Österreich zeigt auch gleich den vermeintlichen Hintergrund auf: der Standard, so Österreich, verdiene mit seinen Onlineforen durch eingebettete Werbung viel Geld. Laut Eigenaussage des Standard-Chefredakteurs wäre von den rund 40.000 täglich anonym geposteten Postings jedes zwanzigste ein Hassposting. Der Anteil der anonymen Poster ohne Klarnamen liege beim Standard bei 90 %. Deswegen wehre sich, so Österreich, der Standard so vehement gegen eine Klarnamenpflicht, da, bei Einführung dieser, die Anzahl der Poster und damit die Höhe der Werbeeinnahmen zurückgingen. Die Rechtfertigung des Standard wiederum: Man trage den Herausforderungen der Einhaltung der Netiquette durch ein großes Team von Moderatoren Rechnung. Man setze, vereinfacht und sinngemäß, eher auf Moderation denn auf Ge- und Verbote. Und strafrechtlich relevante Verstöße würden ohnedies entsprechend weitergeleitet. Zudem wird das durchaus schlüssige Argument vorgebracht, dass beispielsweise Facebook zeige, dass Klarnamen kein Hindernis für Hasspostings seien. Außerdem wäre das Schreiben über sensible Dinge wie Coming Outs, persönliche Probleme oder Ähnliches ungleich schwieriger und bei Klarnamenpflicht für viele User vermutlich nicht mehr möglich.

 

Was sagt die Politik dazu?

In jedem Fall hat die Politik den Ball der Medien bereits aufgenommen. Der turnusmäßig für das nächste Halbjahr an der Spitze der Landeshauptleutekonferenz stehende Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) fordert ein bundesweites diesbezügliches Strafgesetz. Außerdem werde er „sexuelle Belästigung und Hass im Netz“ bei der nächsten Landeshauptleutekonferenz zum Thema machen. Der zuständige Minister Gernot Blümel (ÖVP) hat angesichts der Debatte ebenfalls reagiert und kündigt eine mögliche Registrierungspflicht für alle User an, die vorsieht, dass Postings nach personalisierter Registrierung weiterhin für die Öffentlichkeit anonymisiert gepostet werden können. Im Falle einer strafrechtlichen Verfolgung allerdings kann der tatsächliche Verfasser des Postings aufgrund der Registrierung evaluiert werden. Das geht allerdings vielen Datenschützern wieder zu weit, da man sich einerseits verfassungsrechtlich (Stichwort Überwachung und Vorratsdatenspeicherung) auf sehr dünnem Eis bewege, andererseits eine eindeutige rechtliche Zuordnung des Postings noch immer nicht möglich wäre. Sei es wie es sei, die Frage wird sicherlich noch lange Zeit diskutiert werden. Eine wie auch immer geartete Lösung in Form eines Gesetzes wird sicherlich nicht alle Proponenten befriedigen. Die Zufriedenen wie die Unzufriedenen werden, wie heute üblich, mit ihrem Beifall beziehungsweise ihrem Unmut sicherlich wieder die Foren füllen. Ob sie dies mit Klarnamen oder ohne tun, darüber werden wir, gewogene Blogleserin, gewogener Blogleser, in gewohnter Art und Weise an dieser Stelle berichten.

Gregor Rehse

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